Das Fliedermütterchen

Da oben sitzt’s im Fliederbaum
man sieht es nicht, man hört es kaum.
Nur dann und wann kommt ein vorwitz’ger Wind,
so ist’s, wenn es dann zu erzählen beginnt.
Freilich denken viele, es rauscht das Geäst,
weil es sich nicht von allen belauschen lässt.
Im lila Kleid, so sitzt es da
mit grünen Spitzen und Bändern im Haar.
Schon viele Jahre sitzt es so,
macht uns lustig und auch froh.
Gar manche Falte ziert das gute Gesicht,
was es nicht weiß, das gibt es nicht.
Oft schleicht es sich bei Nacht ins Haus,
bläst hurtig alle Kerzen aus
und setzt sich artig dann ans Bett,
beschert uns Träume lieb und nett.

 

Und plötzlich raunt’s, ach weißt Du noch,
Momentchen mal, wie war das noch,
und deutlich, wie beim ersten Mal
erscheint es Dir im hellen Strahl.
Das Mütterchen erzählt Dir leise
auf seine ach so schöne Weise.
Es weiß genau wie es gewesen
und hat es nirgends doch gelesen.
Ein Lächeln spielt ihm um den Mund
es tut Dir liebe Dinge kund.
Was Du schon längst vergessen hast
vor lauter Eile und vor Hast
das bringt es wieder - sanft und gut
es spendet Trost, gibt neuen Mut.
Natürlich wisst ihr schon wer’s ist,
das Mütterchen, das nie vergisst.

Schöne Erinnerungen wohnen im Fliederbaum,
das Fliedermütterchen - man hört es kaum.